Ausstellung

Fotoausstellung „BEGEGNET“ von Andreas Kittelmann

Eröffnung 22.2.2019 - Einführende Worte von Andreas Richter, Dresden

Die Redewendung „Das gibt’s wie Sand am Meer“ fällt mir immer ein, wenn ich darüber nachdenke, wieviele Fotos wohl weltweit an einem Tag gemacht werden – mit Fotoapparaten, aber vor allem heutzutage mit Smartphones. Milliarden Klicks an einem Tag. Wie Sand am Meer eben.

Dazu die Möglichkeiten, diese so gemachten Bilder in den sozialen Netzwerken in Windeseile zu verbreiten. Was heißt da aber Windeseile? Auch so ein inzwischen überholtes Wort, weil der Wind bestimmt  nicht schneller ist, als die aktuellen Übertragungsgeschwindigkeiten bei Facebook, Instagram, WhatsApp. 

Massenhaft werden Allerweltsmotive eingefangen. Die Selfie-Sucht ist ausgebrochen. Der in uns schlummernde, eigentlich unstillbare Wunsch zur Selbstdarstellung hat mit dem Smartphone endlich die Möglichkeit der Erfüllung gebracht – und mit der Digitalisierung eben auch die Verbreitungswege unserer Bilder. Dies alles soll hier nicht nur abwertend dargestellt werden. Nein, es ist der Lauf technischer Entwicklungen, die in ihrer Gegenwärtigkeit zu akzeptieren sind. „So ist das Leben heute“ - kann mit voller Anerkennung auch des Verhaltens eines jeden Einzelnen von uns gesagt werden. 

Wir fühlen uns wohl in dieser massenhaften optischen und vor allem schnellen Kommunikation. Sie verleitet uns jedoch auch zu einer Flüchtigkeit des Betrachtens, des Inhalierens all dieser Angebote und zwar aus reinem Selbsterhaltungstrieb. Um das neu Angekommene zu erfassen, muß das Alte weggeklickt, weggeschoben, gelöscht  werden. Es bleibt eigentlich keine längere Zeit zur Betrachtung. 

Aber noch gibt es den Fotoapparat! Wer ihn sich umhängt, tut dies mit Absicht. Natürlich speichert heute inzwischen eine einzige Speicherkarte auch Tausende Bilder, und keiner wünscht sich aus vielen praktischen Gründen den Rollfilm zurück.  Und dennoch liegt -meiner Ansicht nach- dem Fotografieren mit dem Apparat eine deutlichere Absicht zu Grunde als bei der maßlosen Smartphone-Geschwätzigkeit. Die Absicht nämlich, die Welt zu entdecken. 

Der Fotograf sucht Motive und nimmt sich meist von vornherein vor, die Bilder abzuspeichern, zu sortieren, sie vorzuführen oder auszudrucken. Oft bleibt es bei solcher Absicht - aber immerhin, wird der Apparat in die Hand genommen, um Erlebtes zu dokumentieren, sich später an Menschen und Orte zu erinnern, um Motive einzufangen, die es lohnt, groß und größer auszudrucken, und das geht nur mit einer entsprechend großen Pixelanzahl, die das flache Gerät im Knäckebrotformat eben nicht bietet. 

Natürlich wird mit dem Fotoapparat auch drauf los geknipst. Aber wer sich eine anspruchsvolle Kamera anschafft, will eigentlich mehr erfassen von der Wirklichkeit um uns herum als nur Beliebigkeitsmotive, den Menschen hingestellt vor allen möglichen und unmöglichen Hintergründen. 

Entscheidend ist der Blick für das gute Motiv. Dieser Blick, so meine Auffassung, läßt sich nur schwer erlernen. Solcher Blick setzt Suche voraus, und solche Suche -bewußt oder unbewußt- muß im tieferen Sinn Spaß machen. Der anspruchsvolle Fotograf ist immer auf solcher Suche, wo immer er steht oder fährt. Die Suche nach dem Erhabenen im Großen und Ganzen und nach Überraschungen im Detail. Das betrifft gleichermaßen Landschaften wie Natur, Mensch und Tier. Und der so stets wachsame Fotograf findet. 

Es ist ein ganz intensives Erfassen dessen, was vor seinem Auge steht oder vorbei zieht. Und jedes erfaßte Motiv verbindet der so Agierende instinktiv mit einer Geschichte, die er beim Fotografieren meist nur mitdenkt, weniger ausspricht. Er spürt die Wirkung des Motivs einmal auf sich selbst, aber zum Anderen denkt er immer auch an die Wirkung seines Bildes auf andere Betrachter. 

Und was ist ein gutes Motiv? Ein gutes Motiv ist eines, was in sich eine Geschichte wirklich im weitesten Sinne birgt, die mich wie andere Betrachter zum Betrachten verleitet. Und was ist eine Geschichte im weitesten Sinn? Nun, es ist eine, die aus unserer Fantasie kommt. Die wenigsten Betrachter standen doch dem Motiv leibhaftig gegenüber, wie es der Fotograf erlebte. Wir als Betrachter müssen das Interessante wie Schöne im Motiv entdecken, aus dem Motiv herauslesen. Finden wir das für uns Interessante wie Schöne, dann bleiben wir vor dem Foto stehen und genießen seine Wirkung.

So stehen wir hier zwischen solchen vergrößerten Absichten des Fotografen Andreas Kittelmann, der nicht alles im Ordner liegen läßt oder es nur am Bildschirm zeigt, sondern der sich traut, mit seinen Bildmotiven an die Öffentlichkeit zu gehen. Es ist dabei nicht irgendeine Öffentlichkeit, sondern es sind hier die Räume von Donum Vitae und es sind -außer den Mitarbeiterinnen– bestimmt mit Problemen und Konflikten beladene Menschen, die diese Fotos anschauen werden. Und diese Fotos belegen eigentlich in verschiedenstem Ausdruck der Motive den Namen dieser Räume hier – Donum Vitae, Geschenk des Lebens. 

Leben ist Kindheit, ist Jugend, ist Alter, ist Alltag, ist Ereignis, und jedes dieser Bilder hier zeigt vom Leben einen ganz kleinen Ausschnitt. Die Spannung in diesen Bildern entsteht, weil sie zufällig entstanden sind. Sie sind dem Fotografen zugefallen, und weil er auf Suche, auf Beobachtung eingestimmt war, konnte er sie auffangen: Alte Menschen, junge Menschen. Ausruhend oder im Alltag beschäftigt. Neugierig in die Kamera schauend oder unbeobachtet geblieben. Mensch und Tier. 

Da habe ich mir immer wieder das Bild des kleinen Jungen angesehen, der mit der rechten Hand sein Pferd führt und mit seiner linken Hand den Hund streichelt. Ein Bild, was für mich so schlicht und einfach das friedliche Zusammensein von Mensch und Tier darstellt. Dieses Motiv aus Ushguli in Georgiens Svanetien ist für mich eben solch ein Fall für Bildgeschichte. Das Bild erzählt. Auch vor den anderen hier ausgestellten Bildern muß man länger stehen bleiben und sich seine Gedanken machen über das Leben, über die Schönheit, über den Alltag. 

„Begegnet“ heißt die Bilderausstellung. Andreas Kittelmann ist diesen hier hängenden Motiven auf verschiedenen Reisen im wahrsten Sinne des Wortes begegnet. Er stand ihnen gegenüber. In Georgien, in Nepal, in Peru, in Österreich, aber auch in Rudolstadt. Wir alle reisen, um solches direkte Gegenüber zu erleben und andere Welten mit ihren Menschen kennenzulernen. Der Fotograf hält nun Momente in diesen Welten fest, um später daran zu erinnern, daß wir dort waren oder dort hinfahren sollten, zum ersten Mal oder wiederholt.

Wer weltoffen reist, hat dann eigentlich die Pflicht, diese Weltoffenheit auch zu Hause zu leben, also die Reiselust von Anderen aus anderen Ländern zu verstehen und sich erlebte Situationen in von ihm bereisten Ländern in Erinnerung zu rufen, wenn es zum Beispiel um Fluchtursachen von Menschen geht. Die oft zu beobachtende beschämende Ängstlichkeit  vor Fremden in unserem Alltag verträgt sich eigentlich nicht mit der -man kann schon sagen- massenhaften Weltreiserei unserer Zeitgenossen. 

Auch aus solchem Grund ist für mich diese Fotoausstellung „Begegnet“ eine Art solchen wichtigen Weiterreisens in unseren Alltag hinein mit der Erinnerung an Erlebtem, eben an Begegnungen, durchaus mit dem Hinweis an den Betrachter, sich auch aufzumachen in die Schönheit unserer Welt, der heimischen wie der fremden, die uns durch Reisen nah kommt. 

Die Bemerkung, daß wir alle wünschen, daß solches Reisen noch viele nach uns geborene Menschen ebenso erleben sollen, wie wir, ist hier in den Räumen von Donum Vitae nicht nebensächlich. 

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